Nachteilsausgleich bei LRS

14-01 Nr. 1

Förderung
von Schülerinnen und Schülern
bei besonderen Schwierigkeiten im Erlernen des Lesens und Rechtschreibens (LRS)

RdErl. d. Kultusministeriums 1 v. 19.07.1991 (GABl. NW. I S. 174)

1 Lesen- und Schreibenlehren als Aufgabe der Schule 2 Fördermaßnahmen
2.1 Analyse der Lernsituation
2.2 Allgemeine Fördermaßnahmen

2.3 Zusätzliche Fördermaßnahmen
2.4 Inhalte der Förderung
2.5 Bewertung des Fördererfolges
2.6 Außerschulische Maßnahmen
3 Organisation der zusätzlichen Fördermaßnahmen 3.1 Zielgruppe

3.2 Einrichtung
3.3 Fördergruppen
3.4 Förderdauer
3.5 Zusammenarbeit
4 Leistungsfeststellung und -beurteilung
4.1 Schriftliche Arbeiten und Übungen
4.2 Zeugnisse
4.3 Versetzung
4.4 Übergang zu Realschulen und Gymnasien
5 Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten

 

1 Lesen- und Schreibenlehren als Aufgabe der Schule

 

1.1 Der Beherrschung der Schriftsprache kommt für die sprachliche Ver- ständigung, für den Erwerb von Wissen und Bildung, für den Zugang zum Beruf und für das Berufsleben besondere Bedeutung zu. Das Lesen und Schreiben zu lehren gehört daher zu den wesentlichen Aufgaben der Grundschule. In diesen Bereichen müssen alle Kinder tragfähige Grundla- gen für das weitere Lernen erwerben. In den Schulen der Sekundarstufe I sollen die grundlegende Fähigkeit, Texte zu lesen und lesend zu verste- hen, sowie die Rechtschreibsicherheit kontinuierlich weiterentwickelt wer- den. Diese Fähigkeiten müssen auch in den Fremdsprachen systematisch aufgebaut werden.

 

1.2 Es gibt Schülerinnen und Schüler, bei denen besondere Schwierigkei- ten im Erlernen des Lesens und Rechtschreibens beobachtet werden. Für diese Schülergruppe sind besondere schulische Fördermaßnahmen not- wendig.

 

1.3 Ein nach den Richtlinien und Lehrplänen sorgfältig durchgeführter Le- se- und Rechtschreibunterricht, in dem die Entwicklung der Lernprozesse gründlich abgesichert ist, ist eine entscheidende Bedingung dafür, dass Versagen im Lesen und Schreiben verhindert wird.

Das Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens vollzieht sich in einem individuell sehr verschieden verlaufenden Lernprozess. Die Schule muss die Schülerinnen und Schüler deshalb gezielt fördern, damit sich lang an- dauernde und erhebliche Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens nicht entwickeln.

 

2 Fördermaßnahmen

Um besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zu vermei- den oder zu überwinden, sind allgemeine Fördermaßnahmen, gegebenen- falls zusätzliche Fördermaßnahmen, unter Umständen aber auch außer- schulische Maßnahmen erforderlich.

Fördermaßnahmen haben größere Aussicht auf Erfolg,

  • -  wenn bekannt ist, wie bei der einzelnen Schülerin oder dem Schüler die

    verschiedenen Lernbedingungen zusammenwirken, und wenn die För- dermaßnahmen hierauf abgestimmt sind,

  • -  wenn sie möglichst früh einsetzen,

  • -  wenn sie konsequent über einen angemessenen Zeitraum hinweg

    durchgeführt werden,

  • -  wenn die Erziehungsberechtigten informiert und die Inhalte mit der Klas-

    senlehrerin bzw. dem Klassenlehrer und den Fachlehrerinnen bzw. -leh- rern abgestimmt sind,

  • -  wenn ihr Zweck mit der Schülerin oder dem Schüler besprochen ist, wenn sie die Teilziele jeweils kennen, unmittelbare Rückmeldung über den Lernfortschritt und Übungserfolg erhalten und wenn sie die Förder- maßnahme insgesamt als Hilfe erleben.

    2.1 Analyse der Lernsituation

    Um Schülerinnen und Schüler bei Lese- oder Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) gezielt fördern zu können, ist es hilfreich, das Bedingungsgefüge der LRS möglichst genau zu kennen. Hierzu gehören

- schulische (z.B. Didaktik und Methodik des Lese- und Schreiblehrgangs sowie des Rechtschreibunterrichts, Lehrerverhalten),

- soziale (z.B. häusliches Lernumfeld, Verhalten der Mitschülerinnen und Mitschüler),

- emotionale (z.B. Selbstsicherheit, Lernfreude, Belastbarkeit, Umgang mit Misserfolgen),

- kognitive (z.B. Stand der Lese- und Schreibentwicklung, Denkstrategie, Wahrnehmung, Sprache),

- physiologische (z.B. Motorik, Seh- und Hörfähigkeit)

Bedingungen sowie das Lern- und Arbeitsverhalten. Die bloße Feststel- lung des Ausmaßes von Versagen genügt nicht.

Die Analyse stützt sich in erster Linie auf die Reflexion über den eigenen Unterricht und die kontinuierliche Beobachtung der Schülerin oder des Schülers. Die Lehrerin oder der Lehrer wird sich gegebenenfalls der Bera- tung durch eine in der LRS-Förderung besonders erfahrene Lehrkraft ver- sichern.

In Einzelfällen wird sich die Notwendigkeit ergeben, zusätzlich den Rat ein- er Schulpsychologin oder eines Schulpsychologen oder anderer in der LRS-Diagnose erfahrener Fachleute einzuholen. Dies setzt das Einver- nehmen mit den Erziehungsberechtigten voraus.

Wenn konkrete Hinweise auf organische Bedingungen vorliegen, ist den Erziehungsberechtigten eine fachärztliche Untersuchung zu empfehlen.

 

2.2 Allgemeine Fördermaßnahmen

Allgemeine Fördermaßnahmen werden im Rahmen der Stundentafel nach den entsprechenden Richtlinien und Lehrplänen durchgeführt (innere Dif- ferenzierung, Förderunterricht).

Ziel der allgemeinen Fördermaßnahmen ist es,

  • -  dass im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unterricht Lernschwie- rigkeiten und Lernlücken durch individuell abgestimmte Hilfen behoben werden und

  • -  dass dadurch Schülerinnen und Schüler bei Lernschwierigkeiten in der gewohnten Lerngruppe verbleiben.

  •  

    2.3 Zusätzliche Fördermaßnahmen

    Zusätzliche Fördermaßnahmen sind schulische Förderkurse, die über die Stundentafel hinaus zusätzlich durchgeführt werden. In Einzelfällen ist die Zusammenarbeit mit einer Schulpsychologin bzw. einem Schulpsycholo- gen oder anderen Fachleuten hilfreich.

    Ziel der zusätzlichen Fördermaßnahmen ist es,
    - das Entstehen von Lernschwierigkeiten zu verhindern, wenn vor dem

    Hintergrund der individuellen Lernbedingungen zu erwarten ist, dass all- gemeine Fördermaßnahmen allein nicht ausreichen werden,

    - Lernschwierigkeiten zu beheben, die durch allgemeine Fördermaßnah- men allein nicht behoben werden können.

  •  

    2.4 Inhalte der Förderung

    Bei den allgemeinen und den zusätzlichen Fördermaßnahmen handelt es sich um

  • -  Leseübungen, die in Verbindung mit der allgemeinen Sprachförderung geeignet sind, die Lesefähigkeit zu fördern. Systematische Ergänzun- gen des Leselehrgangs (wie z.B. Lautgebärden) gehören ebenso zur Leseförderung wie die Benutzung motivierenden Lesematerials, das zu selbstständigem Lesen anregen und die Lesefreude wecken kann.

  • -  Schreibübungen, die zu einer formklaren, bewegungsrichtigen und zü- gigen Handschrift führen - besonders auch das Schreiben der Druck- schrift. Auch die Benutzung einer Schreibmaschine kann hilfreich sein.

  • -  Rechtschreibübungen, die geeignet sind, die Rechtschreibsicherheit zu verbessern.

    Fördermaßnahmen haben größere Aussichten auf Erfolg, wenn das ge- samte Bedingungsgefüge der LRS berücksichtigt wird. Zur Förderung ge- hört daher auch,
    - die Schülerin oder den Schüler zu selbstständigem und eigenverant-

    wortlichem Arbeiten zu führen,
    - hilfreiche Arbeits- und Lernstrategien zum Abbau von Lernrückständen

    zu vermitteln,
    - durch differenzierte Hausaufgaben ein gezieltes und selbstständiges

    Arbeiten aufzubauen und Überforderungen zu vermeiden,
    - Hilfen für die Bewältigung der LRS aufzuzeigen, insbesondere für den Umgang mit Misserfolgen und angstauslösenden Situationen (z.B. Prü-

    fungen, Klassenarbeiten).

  •  

    2.5 Bewertung des Fördererfolgs

    Jede Fördermaßnahme muss kontinuierlich daraufhin überprüft werden, ob mit ihr das angestrebte Ziel, die Verbesserung der Lesefähigkeit und Rechtschreibsicherheit, erreicht werden kann.

    Damit die Leistungsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler aufgebaut und erhalten wird, ist die konsequente positive Rückmeldung auch über kleine Lernfortschritte erforderlich. Ist kein Lernzuwachs festzustellen, müssen die gewählte Methode und gegebenenfalls das Förderkonzept ge- ändert werden.

  •  

    2.6 Außerschulische Maßnahmen

    Trotz intensiver schulischer Fördermaßnahmen ist es möglich, dass ein- zelne Schülerinnen und Schüler die für das Weiterlernen grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten im Lesen und Rechtschreiben nicht erwerben. Dies kann insbesondere der Fall sein bei Schülerinnen und Schülern

  • -  mit einer psychischen Beeinträchtigung (z.B. ausgeprägte Angst vor Misserfolgen, geringes Selbstvertrauen),

  • -  mit neurologischen Auffälligkeiten (z.B. Störungen der sensomotori- schen Integration, der Lateralitätsstruktur, bei zentralmotorischen oder Hirnfunktionsstörungen),

  • -  mit sozial unangemessenen Verhaltenskompensationen (z.B. verstärk- te Aufmerksamkeit forderndes, aggressives oder gehemmtes Verhal- ten).

    Die Schule weist in diesem Fall die Erziehungsberechtigten auf geeignete außerschulische Förder- und Therapiemöglichkeiten hin (z.B. Schulpsy- chologische Beratungsstellen, motorische oder Sprachtherapien, Erzie- hungsberatungsstellen). Werden über die schulische Förderung hinaus außerschulische Maßnahmen durchgeführt, sollten diese miteinander ab- gestimmt werden.

  •  

    3 Organisation der zusätzlichen Fördermaßnahmen

    Über Gruppenzusammensetzung, Methoden und Materialien, Einsatz der Lehrkräfte sowie Zeit und Dauer der Maßnahme ist nach pädagogischen Gesichtspunkten zu entscheiden. Die Förderkurse sollen kontinuierlich stattfinden. Sie sollten möglichst nicht im Anschluss an den Unterricht durchgeführt werden und dürfen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Schülerin oder des Schülers führen.

    Der durch die zusätzlichen Fördermaßnahmen in den einzelnen Schulen entstehende Bedarf an Lehrerstunden kann nur im Rahmen der Lehrerwochenstundenpauschale (Nr. 7.1 der AVO-Richtlinien - BASS 11-11 Nr. 1.1) gedeckt werden.

  •  

    3.1 Zielgruppe

    Zusätzliche Fördermaßnahmen kommen in Betracht für Schülerinnen und Schüler

  • -  der Klassen 1 und 2, denen die notwendigen Voraussetzungen für das

    Lesen- und Schreibenlernen noch fehlen und die die grundlegenden Ziele des Lese- und Rechtschreibunterrichts nicht erreichen,

  • -  der Klassen 3 bis 6, deren Leistungen im Lesen oder Rechtschreiben über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten den Anforderungen nicht entsprechen (§ 48 Abs. 3 Nr. 5 Schulgesetz NRW - BASS 1-1),

  • -  der Klassen 7 bis 10, an Gymnasien mit achtjährigem Bildungsgang für die Klassen 7 bis 9, wenn in Einzelfällen deren besondere Schwierigkei- ten im Lesen oder Rechtschreiben bisher nicht behoben werden konn- ten. Im Bedarfsfalle sollte hier eine schulübergreifende Fördergruppe eingerichtet werden.

  •  

    3.2 Einrichtung

    Die Lehrerinnen und Lehrer, die das Fach Sprache/Deutsch unterrichten, stellen nach den in Nr. 3.1 festgelegten Kriterien fest, für welche Schüle- rinnen und Schüler zusätzliche Fördermaßnahmen notwendig sind. Dies kann auch auf Antrag der Erziehungsberechtigten geschehen.

    Sie melden diese Schülerinnen und Schüler nach Rücksprache mit der je- weiligen Klassenkonferenz und unter Angabe der bisher durchgeführten Fördermaßnahmen der Schulleitung. Diese entscheidet über die Teilnah- me und richtet zum Schulhalbjahr einen entsprechenden Förderkurs ein.

    Für die Einrichtung schulübergreifender Förderkurse ist die untere Schul- aufsicht zuständig.

    Die Zuweisung erfolgt im Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten.

    Rechtzeitig vor Beginn des Schulhalbjahres meldet die Schulleitung der Schulaufsicht den Umfang der geplanten zusätzlichen Fördermaßnah- men.

    Sofern Förderkurse nicht vorgesehen sind, können Erziehungsberechtigte deren Einrichtung bei der Schulaufsicht anregen.

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    3.3 Fördergruppen

    Die Förderkurse sollen in der Regel sechs bis zehn Schülerinnen und Schüler umfassen. Wenn es für das Erreichen des Förderziels notwendig ist, können im Einzelfall auch kleinere Gruppen gebildet werden.

    Zusätzliche Fördermaßnahmen können auch in klassen-, in jahrgangsstu- fen- und (in der Grundschule nur in besonders begründeten Ausnahmefäl- len) schulübergreifenden Gruppen durchgeführt werden.

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    3.4 Förderdauer

    Die Planung der Förderzeit (z.B. täglich kurze Förderzeiten, zeitlich befris- tete Intensivmaßnahmen en bloc, Nachmittagskurse) sollte im Einzelfall danach entschieden werden, was für das Erreichen des Förderziels hilf- reich ist.

    Die Förderkurse sollten für einen Zeitraum von mindestens einem halben Schuljahr eingerichtet werden. Sie umfassen je nach Bedarf bis zu drei Wochenstunden.

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    3.5 Zusammenarbeit

    Da sich Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten häufig auch auf andere Fächer auswirken, ist eine enge Zusammenarbeit der Klassenlehrerin oder des Klassenlehrers, aller Fachlehrerinnen und Fachlehrer und gegebenen- falls der Schulpsychologischen Beratungsstelle mit der Lehrkraft erforder- lich, die die Fördermaßnahme durchführt.

    Beim Übergang in die weiterführende Schule kann im Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten die aufnehmende Schule über die besonde- ren Schwierigkeiten der Schülerin oder des Schülers und über die bisheri- gen Fördermaßnahmen informiert werden.

4 Leistungsfeststellung und -beurteilung

Soweit nachstehend nichts Abweichendes bestimmt ist, gelten für Schüle- rinnen und Schüler mit Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben die allgemeinen Bestimmungen über die Leistungsfeststellung und -beurtei- lung.

Für Schülerinnen und Schüler, die einer zusätzlichen Fördermaßnahme bedürfen, gilt für die Klassen 2 bis 6 und in besonders begründeten Einzel- fällen auch für die Klassen 7 bis 10, an Gymnasien mit achtjährigem Bil- dungsgang für die Klassen 7 bis 9, zusätzlich:

 

4.1 Schriftliche Arbeiten und Übungen

Bei einer schriftlichen Arbeit oder Übung zur Bewertung der Rechtschreib- leistung im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen kann die Lehrerin oder der Lehrer im Einzelfall eine andere Aufgabe stellen, mehr Zeit ein- räumen oder von der Benotung absehen und die Klassenarbeit mit einer Bemerkung versehen, die den Lernstand aufzeigt und zur Weiterarbeit er- mutigt. In den Fremdsprachen können Vokabelkenntnisse durch mündliche Leistungsnachweise erbracht werden. Die Erziehungsberechtigten sind über den Leistungsstand ihres Kindes zu informieren.

Die Rechtschreibleistungen werden nicht in die Beurteilung der schriftli- chen Arbeiten und Übungen im Fach Deutsch oder in einem anderen Fach mit einbezogen.

 

4.2 Zeugnisse

Der Anteil des Rechtschreibens ist bei der Bildung der Note im Fach Deutsch zurückhaltend zu gewichten.

In den Zeugnissen kann in der Rubrik „Bemerkungen“ aufgenommen werden, dass die Schülerin oder der Schüler an einer zusätzlichen LRS-För- dermaßnahme teilgenommen hat.

 

4.3 Versetzung

Bei Entscheidungen über die Versetzung oder die Vergabe von Abschlüssen dürfen die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben nicht den Ausschlag geben.

 

4.4 Übergang zu Realschulen und Gymnasien

Besondere Schwierigkeiten im Rechtschreiben allein sind kein Grund, eine Schülerin oder einen Schüler für den Übergang in die Realschule oder das Gymnasium bei sonst angemessener Gesamtleistung als nicht geeignet zu beurteilen.

 

5 Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten

Die Erziehungsberechtigten sind über das Bedingungsgefüge der Lese- und Rechtschreibschwierigkeit ihres Kindes und über die geplanten För- dermaßnahmen ausführlich zu informieren.

1) bereinigt

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